Presseaussendung: (Zu) viele Stolpersteine für Menschen aus der Ukraine

Die Tücken der Integration, ein Jahr nach Kriegsbeginn: Vertriebene aus der Ukraine stoßen auf viele Hindernisse. Jugendliche lernen nur langsam Deutsch, Erwachsene finden kaum Arbeit.

Tausende Vertriebene verschlug der Krieg in der Ukraine nach Österreich, viele davon in die Steiermark. Wie geht es den Männern, Frauen und Kindern in unserem Land?

Die Hoffnung, dass es anders werden würde als in Zusammenhang mit den vielen Flüchtlingen aus anderen Ländern, dass die Menschen mit offenen Armen aufgenommen werden, rasch auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen könnten, war groß. Eigens für die Vertriebenen aus der Ukraine wurde ein neuer Status geschaffen, mit der „Blauen Karte“ sollte ihnen von Anfang an auch die Möglichkeit offenstehen, eine eigenständige Existenz aufzubauen.

Die Wohnversorgung ist größtenteils gesichert. Viele Familien – in der Hauptsache sind es Frauen und Kinder – können privat wohnen. „Prekariumsverträge“ ermöglichten es Vermietern, Wohnungen auch gratis zur Verfügung zu stellen, aber einen aus den Mitteln der Grundversorgung finanzierten Beitrag zu den Betriebskosten zu erhalten. Diese Betriebskosten stiegen als Folge der höheren Strom- und Heizkosten jedoch exorbitant an. In der Steiermark war es über Initiative von „Steiermark hilft“ möglich, auch diese Wohnverhältnisse dauerhaft abzusichern: Die Kinderfreunde Steiermark mieteten die Wohnungen als Quartiergeber an.

Viele Wohnungen wurden von „Steiermark hilft“ mit Möbeln eingerichtet, die gratis zur Verfügung gestellt wurden. Auch die Bereitschaft der Bevölkerung, mit Geld- oder Sachspenden zu unterstützen, war und ist groß.

Bei den Sprachkursen lief es zunächst großartig: Viele Institutionen beteiligten sich über Vermittlung des Österreichischen Integrationsfonds am Kursangebot – von den großen Anbietern wie ISOP und BFI über viele kleinere Institute bis hin zur Fachhochschule Joanneum, die ein eigenes Kursangebot zur Verfügung stellte. Zu den Präsenzkursen kamen viele Online-
Angebote, auch „Steiermark hilft“ organisierte und finanzierte aus Spenden-Geldern Sprach-Kurse. Heute ist es allerdings so, dass Menschen, die nicht im Zentralraum untergebracht sind, sondern in den steirischen Regionen, bis zu sechs Monate auf einen Deutschkurs warten müssen.

Schleppend läuft es auch mit dem Deutschlernen in den Schulen. ABI Graz und Bildungsdirektion Steiermark waren darum bemüht, jedem Kind aus der Ukraine einen Platz im Kindergarten oder in der Schule zu vermitteln. Aber zum einen wurden die Plätze knapp – speziell in Graz bekamen Kinder, die nicht im letzten, verpflichtenden Kindergartenjahr waren, kaum einen Platz. Außerhalb von Graz kamen auch Jüngere zum Zug, Zum anderen scheitern die Kinder und Jugendlichen vielfach am System der Sprachförderklassen: Sie sind nicht in den Regelunterricht integriert, haben kaum Kontakt mit österreichischen Schülerinnen und Schülern, lernen nur sehr langsam Deutsch. Die meisten von ihnen werden ihre aktuelle Schulstufe ab Herbst ein drittes Mal absolvieren, weil ihre Deutschkenntnisse auch nach einem Jahr in Österreich noch nicht ausreichen, um dem Unterricht folgen zu können. Am schlimmsten ist die Situation für Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren: Sie haben kaum Chancen, eine höhere Schule zu schaffen und bekommen – wegen des befristeten Aufenthaltsrechts und wegen nicht ausreichender Sprachkenntnisse – auch keine Lehrstelle bewilligt. Viele versuchen, online noch einen ukrainischen Schulabschluss zu schaffen und von dort weg zu starten.

Schlecht ist es generell um die Integration der Vertriebenen in den Arbeitsmarkt bestellt. Die „Blaue Karte“ bedeutet, dass das AMS auf Antrag eines Dienstgebers eine Beschäftigungsbewilligung ausstellen kann. Der Einstieg in einen Full-Time-Job war bisher jedoch mangels Sprachkenntnissen oft nicht möglich. Ein Teilzeit-Job bedeutet geringen Verdienst bei gleichzeitigem Verlust der Grundversorgung, womöglich samt Unterkunft. Die marginale Änderung der Zuverdienstgrenze hat keine Veränderung gebracht. Und der Dienstleistungsscheck steht Vertriebenen trotz „Blauer Karte“ bis heute nicht offen. Wer also
etwas dazuverdienen will, sieht sich oft gezwungen, schwarz zu arbeiten.

Dazu kommt, wie im Falle anderer Flüchtlinge auch: Ausbildungen aus der Ukraine werden nur im Wege einer „Nostrifizierung“ anerkannt, und die dauert. Ärzt:innen, Krankenschwestern und Pflegepersonal, Physiotherapeut:innen, Buchhalter:innen, Friseur:innen und vieles mehr werden gesucht, aber auch top ausgebildete Fachkräfte aus der Ukraine dürfen hier noch nicht in ihren Fachbereichen arbeiten. Nur in seltenen Fällen gelingt es, sie als Hilfskräfte mitlaufen zu lassen. Die Bildungsdirektion stellte immerhin mehr als 20 Lehrer:innen aus der Ukraine ein.

Schlecht steht es schließlich auch um die Versorgung der Menschen mit Behinderung. Bund und Länder streiten bis heute darüber, ob diese Menschen – dazu gehören auch Kriegsversehrte – in die Ansprüche nach den hiesigen Behindertengesetzen aufzunehmen sind und wer das dann zahlt. Es besteht Schulpflicht, aber es gibt keinen Anspruch auf Schulassistenz. Es gibt Familien mit schwer beeinträchtigten Kindern oder Eltern, aber keine Familienentlastung. Nur im Einzelfall gelingt es – auch über Vermittlung durch „Steiermark hilft“ – Unterstützung möglich zu machen.

Es ist viel gelungen in der Ukrainehilfe in Österreich und in der Steiermark, aber es ist auch noch viel Luft nach oben. Insbesondere die Öffnung des Dienstleistungsschecks, die Erhöhung der Zuverdienstgrenzen, die Öffnung der Lehre, die bessere Integration in den Schulen und ein dauerhaftes Bleiberecht würden helfen.

Save the date: Beim Fest der Menschlichkeit“ am 19. März 2023, 14 – 17 Uhr, in den Sälen der steirischen AK wird die ehrenamtliche Initiative „Steiermark hilft“ feiern, dass ihr für ihr Engagement der Menschenrechtspreis des Landes verliehen wird. Wir feiern gemeinsam mit den Familien aus der Ukraine, ihren Weggefährt:innen in der Steiermark und insgesamt rund 20 Initiativen und Organisationen, die das Zusammentreffen nützen und Information und Orientierung für die weiteren Perspektiven zu Sprache, Bildung und Job geben werden. Bitte rasch anmelden!

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